Spieglein, Spieglein an der Wand – wie findet man die richtige Vergleichsmiete im Land?
Mit dem am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Gesetz zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete wird dieser von vier auf sechs Jahre ausgeweitet, damit die ortsübliche Vergleichsmiete weniger stark steigt. Diese Maßnahme stellt eine weitere von einer ganzen Reihe von Mietrechtsregulierungen in den vergangenen Jahren dar.
Foto: / gpointstudio / Adobe Stock
Von Verbandsdirektor
RA Ralf Schönfeld
„Dass der Mensch, der doch die Wahrheit so liebt, den Spiegel erfunden hat, ist die größte historische Merkwürdigkeit.“ Dieses in anderem Kontext von dem deutschen Dramatiker Friedrich Hebbel geäußerte Zitat trifft auch auf die aktuelle Wohnungspolitik zu.
Das neue Gesetz zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete kann nur als historische Merkwürdigkeit bezeichnet werden. Noch nie wurde das Mietrecht innerhalb so kurzer Zeit so oft geändert. Allein dies zeugt hier von einer Planungslosigkeit der Politik, die erschreckend ist.
Der Mietspiegel als zweite Mietpreisbremse
Inakzeptabel ist besonders, dass gar nicht abgewartet wird, ob und wie sich die eine Regelung auf die Wohnungsmärkte auswirkt, bevor eine andere neue Regulierung auf den Weg gebracht wird. Der Mietspiegel soll zu einer zweiten Mietpreisbremse werden.
Begründet wird dieser erneute Eingriff damit, dass in den vergangenen zehn Jahren in Ballungszentren die anhaltend hohe Nachfrage nach Mietwohnungen zu einem extrem hohen Anstieg der Angebotsmieten führte. Dies soll zu erheblichen Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete in den Ballungszentren geführt haben, die deutlich über den Entwicklungen des Verbraucherpreisindexes lagen.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat dazu in einem Kommentar die passende Überschrift mit „Spiegelfechtereien“ gewählt. Laut Duden bedeutet dies „vom Wesentlichen ablenkendes, heuchlerisches, nur zum Schein oder zur Täuschung gezeigtes Verhalten“. Treffender kann man den politischen Aktionismus kaum zusammenfassen.
Modellrechnungen ohne reelle Grundlage
Die Gesetzesbegründung mit den Angebotsmieten ist schlicht falsch. Denn die angeführten Modellrechnungen widersprechen der Realität und sind ungeeignet, eine weitere Mietpreisregulierung zu begründen.
Sie basieren nur auf Angebotsmieten aus Online-Plattformen. Letztere bilden aber nur einen höherpreisigen Teilmarkt ab, da Wohnungsgenossenschaften über Wartelisten und eigene Bewerbungsmechanismen, öffentliche und große private Wohnungsunternehmen vornehmlich über eigene Angebotsseiten und private Vermieter oftmals über Freunde und Bekannte einen Mieter suchen.
Gerade letztere Mietverhältnisse und deren Neuvertragsmieten liegen regelmäßig deutlich unterhalb der Angebotsmiete.
Entwertung wird billigend in Kauf genommen
Die Vergleichsmiete hatte bisher die Funktion, ein Verhandeln von Mietern und Vermietern auf Augenhöhe zu ermöglichen und für diesen Zweck bestmöglich die realen Marktmieten darzustellen. Statt diese Funktion der Vergleichsmiete anzuerkennen, zweckentfremdet die Bundesregierung die Vergleichsmiete eben als weitere Mietpreisbremse. Die Entwertung des Instruments Vergleichsmiete nimmt sie dabei billigend in Kauf.
Einheitliche Vorgaben zur Erstellung gibt es nicht
Damit ist der Mietspiegel zu einem zentralen Instrument der Wohnungspolitik geworden. Denn er legt fest, ob ein Vermieter legale oder illegale Mieten fordert. Entsprechend umstritten ist die Erstellung eines Mietspiegels an sich geworden. Versuche, hierzu neue einheitliche Vorgaben zu machen, sind bisher ergebnislos geblieben.
Gesucht werden Vorgaben, wie ein Mietspiegel einfach, verständlich und kostengünstig erstellt werden, gleichzeitig aber hohen, möglichst wissenschaftlichen Qualitätsansprüchen genügen soll. Doch für alle Seiten akzeptable Vorgaben wird es nicht geben. Jede Wohnung ist ein Einzelobjekt mit individuellen Eigenschaften. Das behindert eine objektive Preisermittlung von außen.
Selbst wenn Mietspiegel erstellt werden, sagen sie nicht überall dasselbe aus. Meist werden sie auf lokaler Ebene zwischen Gemeinde, Mieter- und Vermieter-Vertretern ausgehandelt. Wie sie genau zustande kommen, bleibt intransparent. Prominentestes Beispiel ist der Streit zwischen Haus & Grund München und der Stadt München, die gerichtlich gezwungen werden musste, Details über die Berechnung des Mietspiegels preiszugeben, weil Zweifel an dessen Grundlage aufgekommen waren.
Rechtliche Folgen der zeitlichen Ausweitung
Die Neuregelung des Betrachtungszeitraums hat unterschiedliche Folgen für bisherige und zukünftige Mietspiegel: Existiert in der jeweiligen Kommune ein Mietspiegel, kann für einen Übergangszeitraum die ortsübliche Vergleichsmiete weiterhin aus dem vierjährigen Betrachtungszeitraum gebildet werden.
Damit bestimmt das Vorhandensein eines Mietspiegels über die Definition der ortsüblichen Vergleichsmiete. Ein vierjähriger Betrachtungszeitraum bleibt dann maßgeblich, bis ein neuer Mietspiegel veröffentlicht wurde; längstens jedoch zwei Jahre ab der Veröffentlichung des zuletzt erstellten Mietspiegels beziehungsweise nach Veröffentlichung seiner ersten Anpassung.
Existiert in der jeweiligen Kommune kein Mietspiegel, findet unmittelbar mit Inkrafttreten der Neuregelungen der sechsjährige Betrachtungszeitraum Anwendung.
Problematisch ist, ob diese Übergangsregelung auch für einen Mietspiegel einer vergleichbaren Nachbargemeinde gilt. Laut Gesetz ist die Anwendung des vierjährigen Betrachtungszeitraums nur an die Gemeinde mit einem vorhandenen Mietspiegel geknüpft. Es wird deshalb vertreten, dass der Mietspiegel einer Nachbargemeinde nun aufgrund unterschiedlicher Betrachtungszeiträume nicht mehr herangezogen werden darf.
Dies würde – trotz Vergleichbarkeit der Gemeinden – zum Wegbrechen des Mietspiegels als Instrument zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete führen. Die neue Rechtsunsicherheit wird von den Gerichten zu klären sein.
Wann nun welcher Zeitraum in Frage kommt
Neue Mietspiegel sind mit einem sechsjährigen Betrachtungszeitraum zu erstellen, wenn sich ihr Stichtag auf eine Zeit ab Inkrafttreten der Neuregelungen bezieht. Daneben kann für zu erstellende Mietspiegel auch der vierjährige Betrachtungszeitraum relevant sein, wenn der Stichtag vor dem 1. März 2020 liegt und der Mietspiegel bis zum 1. Januar 2021 veröffentlicht wird.
Diese Mietspiegel können auch innerhalb von zwei Jahren der Marktentwicklung angepasst werden. Ist der Stichtag später oder erfolgt die Veröffentlichung später, muss der sechsjährige Betrachtungszeitraum angewandt werden.
Regulierungswut verstärkt Frust privater Vermieter
„Willst du dir den Tag versauen, musst du in den Spiegel schauen.“ So oder so ähnlich könnte es zukünftig lauten, wenn Vermieter versuchen, anhand eines Mietspiegels die rechtlich zulässige Vergleichsmiete zu ermitteln.
Bisher gab der Mietspiegel Mietern und Vermietern eine Orientierung über die örtlich übliche Miete. Die zunehmende Regulierung und Bürokratisierung der Vermietung sowie die generelle politische Stimmungsmache gegen Vermieter sorgen dafür, dass private Vermieter sich aus der Vermietung verabschieden.
Das haben die Ergebnisse des Haus & Grund Stimmungsbarometers deutlich gezeigt. Diese Entwicklung wird sich mit jedem weiteren Eingriff in das Mietrecht verstärken.
Der Druck wird erst abnehmen, wenn Angebot und Nachfrage in den Ballungsräumen wieder in ein vernünftiges Gleichgewicht kommen. Nur eine massive Steigerung beim Bau neuen Wohnraums kann dies bewerkstelligen. Mit den Fördervereinbarungen zum Wohnungsbau in einigen Schwarmstädten in Rheinland-Pfalz geht die Landesregierung den richtigen Weg.
Diese Aktivitäten sollten weiter ausgebaut werden. Gleichzeitig müssen sinnlose Regelungen wie die Mietpreisbremse abgeschafft werden, um ein besseres Klima bei privaten Vermietern zu fördern.
Unser Autor: Ralf Schönfeld
ist Verbandsdirektor des
Landesverbands Haus
& Grund Rheinland-Pfalz.