Wohnungseinbrüche: Fakten und Verdachtsmomente rund um Täter und Delikte
Ob als Folge der Medienberichterstattung oder beim Gespräch mit den Nachbarn übern Gartenzaun: Die Angst vor einem Wohnungseinbruch gehört mittlerweile zu den wichtigsten Themen, die vor allem Hauseigentümer beschäftigen. So erschreckend die statistischen Zahlen sind: Ein genauerer Blick auf die Fakten macht durchaus auch nachdenklich.
Horrorvorstellung Wohnungseinbruch: Auch bei diesem Thema lohnt es sich, etwas genauer hinzusehen und dann möglichst die richtigen Schlüsse zu ziehen – für die eigenen vier Wände ebenso wie für die politische Debatte - Foto: Igor Mojzes/fotolia
Von Harald Gruber, Chefredakteur des Verbandsmagazins
Vielleicht liegt es an den inflationären „Tatort“-Wiederholungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, vielleicht am sensationslüsternen Geschäft mit der Angst, mit denen Privatsender um Einschaltquoten buhlen und manches Printmedium verzweifelt versucht, die Auflage zu halten.
Fakt jedenfalls ist, dass sich viele Menschen hierzulande zunehmend unsicher fühlen – auf offener Straße ebenso wie in den eigenen vier Wänden. Und in der Tat ist ja bereits allein die Vorstellung ein Albtraum, vielleicht schon selbst bald Opfer eines Raubüberfalls oder eines Einbruchdiebstahls zu werden.
Wohnungseinbruch ist kein Kavaliersdelikt
Um so schlimmer, wenn vor allem Letzteres dann tatsächlich passiert. Dabei ist es ja oft nicht einmal der reine Sachwert der gestohlenen Gegenstände, den es zu beklagen gilt: Der angerichtete Sachschaden schlägt mindestens genauso ins Kontor. Besonders beklemmend aber ist das Gefühl, dass jemand Fremdes das eigene Zuhause durchwühlt hat – und möglicherweise irgendwann zurückkommt, um sich zu holen, was er zunächst hat liegen lassen.
Praktische Tipps und Denkanstöße
Immer wieder geben wir von der Redaktion Ihres Haus & Grund Mitgliedermagazins praktische Tipps, wie sich Haus- und Wohnungseigentümer vor einem gewaltsamen Zutritt in die eigenen vier Wände besser schützen können. Heute aber wollen wir uns einmal etwas näher mit den kriminalistischen Fakten und konkreten Konsequenzen beschäftigen, die speziell uns Hauseigentümern vielleicht doch hier und da zu denken geben sollten.
Da ist zum ersten die aktuelle Statistik: „Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent gestiegen“ vermeldeten vor Kurzem bundesweit fast alle Tageszeitungen. Anlass war die Veröffentlichung der alljährlichen Kriminalstatistik, und unser Bundesinnenminister fand diese Zahlen so „besorgniserregend“, dass er gleich darauf medienwirksam vorschlug, künftig so genannte „Hilfspolizisten“ nach einer wenige Wochen dauernden Schmalspur-„Ausbildung“ auf Patrouille durch Deutschlands Wohngegenden zu schicken.
Ganz unabhängig davon, was man von solch wohlfeilen „Sicherheits“-Vorschlägen halten mag, Fakt ist: Schaut man sich die Zeitreihe der Einbruchstatistik genauer an, so stellt man fest, dass vor 15 Jahren deutlich mehr Einbrüche registriert wurden als heute – und damals gab es weder offene EU-Grenzen nach Südosteuropa noch Flüchtlingsströme aus Syrien oder Afrika (siehe Info-Grafik unten).
Und selbst ein detaillierter Blick auf die aktuelle Statistik zeigt bei ganz genauem Hinsehen: INSGESAMT gesehen blieb die Zahl der registrierten Straftaten in Deutschland gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert. Dem Anstieg an Wohnungseinbrüchen steht nämlich ein fast ebenso deutlicher Rückgang bei Sachbeschädigungen und Betrugsfällen gegenüber – beides Delikte übrigens, unter denen ebenfalls gerade Eigentümer schwerpunktmäßig zu leiden haben.
Noch verworrener wird die Analyse, wenn man weiß, dass die offizielle Einbruchs-Statistik auch die misslungenen Versuche mitzählt, die (zu Recht!) besorgte Bürger bei der Polizei „rein sicherheitshalber“ zur Anzeige gebracht haben. Zumindest in Rheinland-Pfalz (nur hierfür liegen unserer Redaktion amtliche Zahlen vor) macht dieser Anteil inzwischen aber fast 40 Prozent aus.
Fakten gegen Stammtischparolen
Wer sich nicht von dumpfen Stammtischparolen ins Bockshorn jagen lassen will, sondern weiterhin rein objektiven Sachargumenten gegenüber aufgeschlossen ist, den dürfte auch die Antwort auf folgende Frage nachdenklich machen – die nämlich nach den Tätergruppen. „Anreisen, einbrechen, abreisen“ titelte jüngst selbst die sonst eher seriöse FAZ unter Bezug auf unseren Bundesinnenminister, der den Anstieg der Einbruchsdelikte „vor allem auf reisende Tätergruppen aus Südost- und Osteuropa“ zurückführte.
Diese gehen demnach „mit Methoden vor, wie man sie sonst nur aus anderen Deliktfeldern der Organisierten Kriminalität kennt“. Der CDU-Mann fürs Grobe Thomas de Maizière wörtlich: „Früher waren Einbrecher überwiegend Junkies. Heute werden Wohnungseinbrüche regelmäßig von ausländischen Banden verübt.“
Banden vom Balkan und aus der ehemaligen Sowjetunion als Ursache der Einbruchswelle – dafür spreche die „kriminalistische Erfahrung“, erläuterte jetzt auch der Chef des Bunds Deutscher Kriminalbeamter in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Schließlich würden immer mehr Tatverdächtige ermittelt, die man solchen Banden zurechnen könne. Einen empirischen Beleg für das tatsächliche Ausmaß dieser verdachtsmäßigen Vermutung gebe es allerdings nicht.
Dies wiederum liegt schlicht und einfach daran, dass bei lediglich rund 15 Prozent aller Einbruchsdelikte überhaupt ein Tatverdächtiger ermittelt werden kann – und nur von dem können logischerweise auch die Personaldaten aufgenommen werden.
Nur ganz wenige Täter werden geschnappt
Wenn man dann auch noch weiß (und jeder fleißige „Tatort“-Gucker weiß das!) dass „Tatverdächtiger“ noch lange nicht „verurteilter Straftäter“ heißt, dann wundert es erst recht nicht, dass laut einer aktuellen Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen deutschlandweit ganze 2,6 Prozent (!!!) aller Einbruchsfälle auch tatsächlich in einen Gerichtsprozess münden, bei dem es ja längst nicht automatisch zu einer Verurteilung kommt.
Böse ausdrückt könnte man also festhalten: Alle amtlich belegbaren Aussagen zu Tätern und ihrer Herkunft basieren auf einer winzig kleinen Restmenge an aktenkundigen Einbrechern, die blöd genug waren, sich tatsächlich erwischen zu lassen.
Dazu passt übrigens auch das Zahlenmaterial, das jetzt der Gesamtverband Deutscher Versicherungen (GDV) in seinem „Einbruch-Report 2016“ vorgelegt hat. Dessen Interesse an dem Thema rührt insbesondere daher, dass die Versicherungsunternehmen ja für den entstandenen Schaden über die Hausratversicherung aufkommen müssen (so der Geschädigte eine solche abgeschlossen hat).
Über die ermittelten Bösewichte ist in dem Report folgendes zu lesen: Fast die Hälfte aller ermittelten Tatverdächtigen (!!!) verfügt über keinen Schulabschluss, fast jeder Fünfte ist noch Schüler oder Azubi, und bei rund 38% gibt es einen Sucht-Hintergrund.
Besonders spannend: Laut Datenerhebung der Versicherungsbranche standen über 40 % aller Tatverdächtigen (!!!) in irgend einer Beziehung zu mindestens einem Mitglied des geschädigten Haushalts. Meistens stammten sie sogar aus dem Bekannten- oder Freundeskreis.
Ex-Partner und Partner, Familienangehörige und Verwandte machten zusammen rund ein Viertel dieser Tatverdächtigen aus. Knapp ein weiteres Viertel kannte das Opfer vom Sehen oder aus der Nachbarschaft (23,4%). Aber auch ehemalige Mitbewohner, Unter-, Ver-, oder Vormieter gehörten zu diesen Tatverdächtigen.
Müssen wir Eigentümer also mehr Angst vor der eigenen buckligen Verwandtschaft haben als vor marodierenden Mafia-Banden aus dem Kosovo? Ganz sicher nicht. Dennoch zeigen die nachprüfbaren Tatsachen, wie vielschichtig der vermeintlich klare Blick auf die Tätergruppen letztlich ist. Dies wiederum hat auch ganz konkrete Auswirkungen auf die Handlungsperspektiven, um sich vor einem Einbruch möglichst gut zu schützen – und nur darum kann es uns Eigentümern schließlich gehen.
Sorglosigkeit oft nach wie vor erschreckend
Diesbezüglich einen praxisorientierten Faktencheck der ganz besonderen Art unternahm jüngst ein Kriminalhauptkommissar mit einigen Studenten von der Fachhochschule für Verwaltung in Duisburg. An Rhein und Ruhr klapperten sie in der Dämmerung natürlich rein zu Forschungszwecken insgesamt 500 Mehrfamilienhäuser ab.
Die Bilanz: Alles in allem wären die Studenten mühelos in 240 Wohnungen und zahlreiche Keller gelangt – bei 25 Gebäuden stand sogar die Haustür offen, so dass sie als Fremde ohne jedes Hindernis eintreten konnten.
Ein weiterer alarmierender Befund: Obwohl die grüppchenweise von Haus zu Haus pirschenden „Forschungs-Einbrecher“ eigentlich jedem Anwohner hätten auffallen müssen, wurden sie nur zweimal von Passanten angesprochen. Auf die Idee, die Polizei zu rufen, kam niemand.
Fazit: Vorbeugen ja, Panik machen nein
Was heißt das alles nun für uns Eigentümer? Zunächst: Gegen Einbrecher gibt es zwar kein Allheilmittel,sehr wohl aber kann jeder etwas für mehr Sicherheit tun – am eigenen Haus und durch Achtsamkeit in der Nachbarschaft. Aber auch: Nein, es besteht kein Grund zur Panik. Deutschland ist nach wie vor ein Land, in dem man vergleichsweise sicher leben kann. Wer etwas anderes behauptet, will nur Ängste schüren, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Unsere Freude am Eigentum sollten wir uns von Fakten-Verdrehern ebenso wenig nehmen lassen wie von den Ganoven.
Kriminalistisches Langzeitgedächtnis: Entwicklung der Einbruchszahlen und des von Hausratversicherungen ersetzten Sachschadens.- Grafik: GDV