Neue Landesbauordnung: Einige Erleichterungen, aber Nachholbedarf für die praktische Umsetzung
Die Landesregierung ist dabei, die Landesbauordnung (LBO) zu ändern. Ein Ziel dabei ist die Anpassung der Bestimmungen für Rheinland-Pfalz an die von Sachverständigen erarbeitete Musterbauordnung (MBO). Doch das, kritisiert der Haus & Grund Landesverband in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf, ist (noch) nicht so recht gelungen: Die neue LBO „weicht in Struktur und Anordnung der einzelnen Regelungen wesentlich von der MBO ab“. Der Landesverband schlägt zudem Ergänzungen vor, um Bauherr(inn)en mehr Rechtssicherheit zu verschaffen.
Von Dr. Ilse Preiss
Wohnraum ist auch in vielen Bereichen von Rheinland-Pfalz knapp und teuer. Und neuer bezahlbarer Wohnraum wird – vor allem in den angesagten Städten und Regionen – nicht im notwendigen Umfang und in angemessener Zeit geschaffen. Auswege aus diesem Dilemma erarbeitete seit 2015 ein breit angelegtes „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“, an dem auch Haus & Grund aktiv beteiligt war. So identifizierte eine Baukostensenkungskommission die Kostentreiber im Wohnungsbau und gab entsprechende Empfehlungen. Einer ihrer Vorschläge: die einheitliche Einführung der Musterbauordnung (MBO) in allen Bundesländern. Die MBO ist vereinfacht gesagt eine Sammlung der Mindestanforderungen für den Wohnungsneubau. Wäre die MBO in allen Bundesländern das Maß der Bau-Dinge, könnten Mehrkosten vermieden werden, die durch Sonderregelungen und zusätzliche Anforderungen in den Landesbauordnungen entstehen.
Die neue Landesbauordnung weicht von der Musterbauordnung deutlich ab
Mit dem am 26. Mai vom Ministerrat beschlossenen Gesetzentwurf zur Novellierung des Landesbauordnung Rheinland-Pfalz „sollen bereits beschlossene bzw. in Vorbereitung befindliche Änderungen der Musterbauordnung umgesetzt werden“, erklärte denn auch die zuständige Ministerin Doris Ahnen in einer Pressemitteilung. Im Zuge des Beteiligungs- und Anhörungsverfahrens bat ihr Ministerium den Haus & Grund Landesverband um eine Stellungnahme zum Entwurf – und die Eigentümerschutz-Gemeinschaft schaute genauer in die Paragraphentexte. Ergebnis: Die neue LBO „weicht in Struktur und Anordnung der einzelnen Regelungen wesentlich von der MBO ab. In welchem Umfang sich dadurch abweichende (höhere) Anforderungen ergeben, kann auf dem ersten Blick nicht vollständig beurteilt werden. Insoweit fehlt die entsprechende Transparenz“, heißt es in der Stellungnahme, die dem Ministerium fristgerecht zuging.
Zwar sieht der Haus & Grund Landesverband nicht alle geplanten Änderungen kritisch – im Gegenteil: Einige neu formulierte Bestimmungen, etwa zum Brandschutz oder zur Qualität von Außen- und Trennwänden, „stellen aus unserer Sicht Erleichterungen dar und entsprechen den Mindestanforderungen der MBO“. Andere Änderungen wie der Verzicht auf Wasserzähler, geschlechtergetrennte Toiletten und unterschriebene Bauunterlagen sowie die Ansätze zur Digitalisierung des Genehmigungsverfahrens „sind zudem sehr zu begrüßen“. Für überflüssig und „unvereinbar mit den Datenschutzbestimmungen“ hält der Haus & Grund Landesverband dagegen die – in der MBO überhaupt nicht geforderte – Pflicht zur Angabe der Kontaktdaten von Bauherr(inn)en auf dem Bauschild. Und: „Kritisch ist auch, dass Masten und Antennen bis zu einer Höhe von 15 m genehmigungsfrei werden. In der MBO gilt dies nur bis zu einer Höhe von 10 m.“
Vorschläge von Haus & Grund für mehr Rechtssicherheit
Gleichzeitig weist Haus & Grund in seiner Stellungnahme auf zwei Aspekte des Genehmigungsverfahrens hin, die „in der Umsetzungspraxis regelmäßig für Ärger sorgen und daher bei der anstehenden Novellierung der Landesbauordnung zusätzlich berücksichtigt werden sollten“. Bei beiden Punkten geht es darum, Bauherr(inn)en mehr Rechtssicherheit zu verschaffen.
Zum einen schlägt Haus & Grund vor, in die LBO aufzunehmen, dass Bauherr(inn)en von der Bauaufsichtsbehörde innerhalb von drei Wochen nach Eingang des Bauantrags eine Mitteilung über das Ergebnis der Prüfung der Vollständigkeit von Antrag und Unterlagen bekommen. Unterbleibt diese Mitteilung, „gilt der Bauantrag mit Ablauf der Frist als vollständig“. Hintergrund: Wenn Bauämter keine Bescheinigung über die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen erteilen, läuft die Frist nicht an, innerhalb derer sie den Bauantrag zu bearbeiten haben – und die Antragsteller verlieren wertvolle Zeit.
Zum anderen fordert Haus & Grund eine Klarstellung für das vereinfachte Genehmigungsverfahren, das beispielsweise bei Einfamilienhäusern („nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten“) oder Garagen („bis zu 100 qm Nutzfläche“) zum Tragen kommt. Hier, so die Erfahrung aus der Beratungspraxis von Haus & Grund, gehen Antragsteller regelmäßig davon aus, über das Genehmigungsverfahren eine rechtlich gesicherte Position zu erhalten. Doch stelle die Baugenehmigung „lediglich eine Pseudo-Rechtsposition“ dar, da sie „nicht den Schlusspunkt eines Prüfungsverfahrens gebildet, sondern lediglich Teilaspekte bewertet hat“. Das Problem: Im vereinfachten Verfahren beschränkt sich die Prüfung auf die Zulässigkeit des Vorhabens nach den Bestimmungen des Baugesetzbuchs, örtlicher Bauvorschriften sowie sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Jedoch sind Punkte, die das Nachbarrecht betreffen, wie etwa Regelungen zu Abstandsflächen oder Brandschutz, nicht Bestandteil der Prüfung. Das führt nach Baubeginn häufig zu nachbarschaftlichem Streit. Ähnlich ist es mit der Regelung, dass die geplanten Räumlichkeiten bestimmte (Mindest-)Vorgaben erfüllen müssen: Ob sie das tun, wird im Vorfeld nicht geprüft, aber nach Baufertigstellung durch die Behörden eingefordert – und muss nicht selten nachgearbeitet werden.
Mehr Einsatz-Möglichkeiten für den nachhaltigen Rohstoff Holz
Positiv bewertet Haus & Grund Rheinland-Pfalz die grundsätzlichen Vorhaben hinter den Änderungen der Landesbauordnung. So will die Landesregierung insbesondere den Einsatz des Baustoffs Holz erleichtern. Unter bestimmten Voraussetzungen können künftig Gebäude bis zu einer Höhe von 22 Metern aus Holzbauteilen entstehen – eine spannende Perspektive für den Geschosswohnungsbau (siehe dazu auch unser Interview mit dem Architekten Dr. Michael R. Frank).
Bauministerin Doris Ahnen: „Die Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten für das Material Holz begrüße ich sehr. Holz ist ein besonders nachhaltiger, umweltschonender Baustoff, der für die Erreichung nationaler und internationaler Klimaschutzziele eine wichtige Rolle spielt. Zudem ist Holz äußerst vielseitig einsetzbar. Nicht zuletzt ermöglicht Holz oft auch kostengünstiges Bauen und fördert insbesondere in Rheinland-Pfalz die regionale Waldwirtschaft.“
In komplett digitalen Verfahren schneller zu Genehmigungen
Die neue Landesbauordnung schafft zudem die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Digitalisierung der bauaufsichtlichen Verfahren von der Beantragung bis zur Durchführung. Künftig soll die gesamte Kommunikation zwischen Planern bzw. Architekten und Behörden sowie zwischen den Ämtern ausschließlich elektronisch erfolgen. Erwünschter Effekt: deutlich schnellere Genehmigungsverfahren.
Die Umstellung werde „sehr herausfordernd“, erklärte Marc Derichsweiler von der obersten Bauaufsichtsbehörde Im Landesfinanzministerium in einem Interview. Die Digitalisierung stelle höhere Anforderungen an Architekturbüros und Behörden. Der Stadtplaner, der Rheinland-Pfalz in der Bauministerkonferenz vertritt: „Wie immer bei großen Veränderungen wird es zunächst viele Widerstände und Fragen geben. Mit der Zeit wird das digitale Verfahren gängige Praxis werden. Und irgendwann werden wir uns fragen, wie es früher rein papierbasiert funktionieren konnte. Doch bis dahin ist es noch ein Stück Weg: Sowohl bei den technischen Voraussetzungen als auch bei den Prozessen ist Entwicklungsarbeit gefordert.“
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