Aktive Wohnungsbaupolitik muss Stadt und Land in den Blick nehmen
Auf die Herausforderungen am Wohnungsmarkt reagiert die Landesregierung mit einem Maßnahmen-Bündel. Das betonte Ministerpräsidentin Malu Dreyer beim Landesverbandstag. Sie setzte sich in ihrer Rede insbesondere mit dem demografischen Wandel auseinander. Gerade bei neuen Wohnformen könne Rheinland-Pfalz noch zulegen.
Wünscht sich mehr neue Wohnformen: Malu Dreyer setzt auf Gemeinschaften, in denen Ältere lange selbstbestimmt leben können. - Foto: Harald Gruber
Von Dr. Ilse Preiss
Wer sich als privater Eigentümer für eine Immobilie entscheidet, legt sich damit oft – ähnlich wie beim Ja zum Lebenspartner – für lange Zeit fest. Alles andere als immobil, nämlich ständig in Bewegung, sind allerdings die Rahmenbedingungen des Haus- und Grundbesitzes. Dabei spielen beileibe nicht nur ökonomische Faktoren eine Rolle: Aktuell ist in Rheinland-Pfalz vor allem das Stichwort „demografischer Wandel“ in aller Munde.
Eine tendenziell stetig sinkende Einwohnerzahl mit tendenziell steigendem Altersschnitt, immer mehr ältere Einwohner, die sich – gottseidank – immer länger guter Gesundheit erfreuen können, insgesamt weniger junge Leute, also auch weniger Familien: Das hat natürlich Auswirkungen auf die Frage, wer welches Dach über dem Kopf braucht. Das ist auch der Landesregierung klar. „Wir haben es hier mit einem deutlichen Strukturwandel zu tun, der die verschiedenen Regionen unseres Landes auf ganz unterschiedliche Weise betrifft“, erklärte Ministerpräsidentin Malu Dreyer beim diesjährigen Landesverbandstag von Haus & Grund in Mainz.
Der Wohnungsmarkt in Rheinland-Pfalz ist sehr heterogen
Gerade der Wohnungsmarkt ist in Rheinland-Pfalz zwar „insgesamt intakt, aber sehr heterogen“, erinnerte die Ministerpräsidentin. Um ein klareres Bild über die verschiedenen parallel laufenden Entwicklungen zu bekommen, war eine Analyse in Auftrag gegeben worden, deren Ergebnisse seit dem vergangenen Jahr vorliegen.
Die empirica-Gutachter fanden (wie bereits mehrfach berichtet) im Land zwei völlig gegensätzliche Gegebenheiten: Einerseits gibt es einige wenige so genannte Schwarmstädte bzw. Schwarmregionen mit hoher Zuwanderung insbesondere junger Menschen und andererseits flächenmäßig große Regionen, in denen die Bevölkerung zum Teil dramatisch schrumpft und überaltert – und wo sich viele private Eigentümer ernsthafte Sorgen um den Werterhalt ihrer Immobilie machen.
Neben diesen beiden Gegenpolen weist das Wohnungsmarkt-Gutachten Regionen mit Wachstums-Chancen, Wachstumskerne in schrumpfender Umgebung und auch einige ausgeglichene Bereiche aus – ein durchaus buntes Bild also, das sich beim Blick auf kleinere und kleinste räumliche Einheiten wiederholt. „Wohnungsmangel und Leerstand liegen inzwischen oft ganz dicht beieinander“, erklärte Malu Dreyer. Ihre Folgerung aus den Fakten: „Wir brauchen mehr denn je eine aktive Stadtentwicklungs- und Wohnbaupolitik, die Stadt und Land gleichermaßen in den Blick nimmt.“
Neubauförderung dort, wo der Wohnungsmarkt eng ist
Diese „spannende politische Herausforderung“ geht die Landesregierung nach den Worten von Malu Dreyer mit zwei Leitsätzen an: „Nur gemeinsam geht’s“ und „Neue Konzepte braucht das Land“. Ein ganzes „Bündel von Maßnahmen“, so Dreyer, soll für bedarfsgerechten bezahlbaren Wohnraum sorgen. Die Grundlage, „um unsere Wohnungspolitik besser an die gesellschaftlichen und demografischen Veränderungen anzupassen“, bildet das 2014 in Kraft getretene Landeswohnraumfördergesetz.
Freude über einen engagierten Festvortrag: der Landesverbandsvorsitzende Manfred Leyendecker, der Mainzer Ortsvereinsvorsitzende Roland Hunsalzer, der frühere Justizminister Herbert Mertin und der stellvertretende Landesvorsitzende Karlheinz Glogger (von links) zusammen mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer. - Foto: hag
Erstmals sind seither auch Wohngruppen und Wohngemeinschaften förderfähig. Zudem wurden die Förderprogramme sowohl für Mietraum als auch für Wohneigentum „erheblich verbessert“. Und in den rheinland-pfälzischen Städten wie Mainz, Trier oder Landau, die als Wohnstandorte besonders boomen, werden auch wieder Sozialwohnungen gebaut.
Generell gilt für die Ministerpräsidentin: „Bauen und zusätzlichen Wohnraum schaffen überall dort, wo der Wohnungsmarkt eng ist – das ist die eigentliche Antwort.“ Die Landesregierung stellt deshalb einen dreistelligen Millionenbetrag zur Verfügung, um die betroffenen Städte zu unterstützen. Das Instrument der Mietpreisbremse dagegen setzt sie – verglichen mit anderen Bundesländern – nur „sehr maßvoll“ ein.
Altersgerecht und barrierefrei lauten die weiteren Schwerpunkte
Der größte Teil des Angebots auf dem Wohnungsmarkt allerdings muss nicht erst neu geschaffen werden, sondern existiert bereits und sollte regelmäßig durch Modernisierung auf dem aktuellen technischen Stand gehalten werden. Auch hier engagiert sich das Land: Das Kredit- und Zuschussvolumen in den Modernisierungsprogrammen für die Jahre 2013 und 2014 betrug laut Malu Dreyer etwa 16 Millionen Euro; gefördert wurden damit rund 1.300 Wohneinheiten. Altersgerecht und barrierefrei lauten – neben energiesparend – die Schwerpunkte, auf die das Land bei der Förderung von Modernisierungsmaßnahmen setzt. Die Stärkung des barrierefreien Wohnens ist zudem ein erklärtes Ziel der aktuellen Reform der Landesbauordnung.
Allein auf dem Land: „eher ein Problem“
Ein Thema lag der Ministerpräsidentin bei ihrer Festrede vor den Haus & Grund Mitgliedern besonders am Herzen: die Förderung neuer Formen des Wohnens. Schon jetzt werde in Rheinland-Pfalz eine große Vielzahl an Wohnformen praktiziert, freute sich Malu Dreyer – „und es können gerne noch mehr werden“. Dieses Thema müsse nach vorn getrieben werden, auch und gerade in den ländlichen Regionen.
Dass Menschen gerne allein und mit möglichst viel Platz wohnen, „ist ein absolut städtisches Symptom“. Auf dem Land dagegen sei das Single-Thema „eher unser Problem geworden“: „In all den schönen Häusern wohnen immer mehr alleinstehende einsame Menschen.“ Gerade hier müssten Möglichkeiten geschaffen werden, dass Senioren Wohnraum gemeinsam nutzen können, um in Gemeinschaften „so lange wie möglich selbstständig und selbstbestimmt, aber eben nicht einsam“ leben zu können.
Wie möchte ich wohnen? Mit diesem Thema müssen sich nach Überzeugung der Ministerpräsidentin künftig viel mehr Menschen als bisher intensiv auseinandersetzen. Denn so langsam stehen die vielen Angehörigen der Generation der „Babyboomer“ vor der Frage, wie sie ihr (hoffentlich langes, gesundes und aktives) Alter gestalten wollen – und vor der Aufgabe, Lösungen zu finden, „auch wenn keine Kinder in der Nähe sind, die mal eben kurz helfen können“. Malu Dreyer, selbst Jahrgang 1961: „In diesem Bereich müssen wir wirklich noch einiges zulegen.“
Rheinland-Pfalz verändert sich: Mitten drin im Wandel |
Der demografische Wandel verändert Rheinland-Pfalz. Um ihn aktiv zu gestalten, hat das Land nicht nur ein Demografieministerium, sondern auch ein Demografiekabinett. Sein „ressortübergreifende Zusammendenken“ wird seit Herbst 2014 von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet, dem Experten verschiedenster Fachrichtungen aus dem ganzen Land angehören. Die Demografiestrategie des Landes steht unter dem Titel „Zusammenland Rheinland-Pfalz – Gut für Generationen“. Ziel ist es, alle gesellschaftlichen Kräfte einzubinden, die sich für eine Gestaltung des demografischen Wandels engagieren. Eine gleichnamige Broschüre stellt Maßnahmen, Projekte und Programme vor. Sie kann unter www.demografie.rlp.de bestellt und heruntergeladen werden. Zum zweiten Mal findet vom 2. bis 9. November 2015 die Demografiewoche Rheinland-Pfalz statt, bei der präsentiert wird, was in vielen Orten des Landes bereits für eine „demografiefeste Zukunft“ getan wird. Das umfangreiche Programm ist unter www.demografiewoche.rlp.de zu finden. Gleich mehrere Initiativen sollen den ländlichen Raum stärken, zu dem rund 60 Prozent von Rheinland-Pfalz gehören und wo der demografische Wandel meist zu verstärkter Abwanderung führt. Beispielsweise nehmen insgesamt 13 Verbandsgemeinden (Alsenz-Obermoschel / Meisenheim, Bad Hönningen / Linz am Rhein / Waldbreitbach, Hagenbach / Kandel, Hahnstätten / Katzenelnbogen, Traben-Trarbach / Zell (Mosel), Wallmerod / Westerburg) teil am Projekt „Starke Kommunen – Starkes Land“; mehr Informationen dazu gibt es unter www.starkekommunen-rlp.de. Beim Wettbewerb „Mehr Mitte bitte“ dreht sich alles um die ländlichen Ortskerne; mehr Informationen dazu unter www.baukultur.rlp.de. Bei der Landesberatungsstelle Barrierefrei Bauen und Wohnen beantworten erfahrene Architekten die Fragen inte-ressierter Immobilieneigentümer; Träger ist die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V. Beratungsstellen gibt es in Bad Kreuznach, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Daun, Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen, Mainz, Neuwied, Pirmasens, Speyer und Trier. Mehr Infos unter www.barrierefrei-rlp.de. Die Beratungsstelle WohnPunkt RLP begleitet kleine Kommunen im ländlichen Raum bei der Realisierung betreuter Wohngruppen und selbstorganisierter Wohngemeinschaften; mehr dazu unter www.wohnpunkt-rlp.de. |