Ärger mit Bäumen an der Grundstücksgrenze: Wann Nachbarn selbst zur Tat schreiten dürfen

Nach zwei aktuellen Urteilen ist ein Rückschnitt sogar dann erlaubt, wenn dem Baum dadurch Gefahr droht.

Symbolbild Grenzbewuchs: Ast mit AstschereFoto: sapgreen / AdobeStock

Pflanzen kennen keine Grundstücksgrenzen, Menschen aber sehr wohl. Das sorgt immer wieder für Ärger. Der Baum, die Hecke oder der Strauch nebenan sind deshalb echte Klassiker unter den Gründen für Zoff unter Nachbarn. Besonders erbittert wird erfahrungsgemäß dann gestritten, wenn Äste über den Gartenzaun ragen oder sich Wurzeln über die Grenze ausdehnen. Müssen Eigentümer solche Beeinträchtigungen durch den Nachbarn hinnehmen? Dürfen sie selbst zur Schere greifen und die Störung beseitigen? Und was ist, wenn das den Baum gefährdet?

Diese Fragen beschäftigen auch die Rechtsexperten des Eigentümerverbands Haus & Grund Rheinland-Pfalz immer wieder. Spannende Antworten liefern nun zwei aktuelle Entscheidungen, auf die der Verband hinweist: ein grundsätzliches Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, 11. Juni 2021, Aktenzeichen V ZR 234/19) und ein daran angelehntes Urteil des Landgerichts Frankenthal (11. August 2021; Aktenzeichen 2 S 132/20).

Betroffene Nachbarn dürfen grundsätzlich zur Tat schreiten

Die wichtigste Nachricht vorweg: Wer durch Äste und Wurzeln vom Nachbargrundstück beeinträchtigt wird, darf im Rahmen der Selbsthilfe tätig werden. „Das gilt nach der jüngsten BGH-Entscheidung selbst dann, wenn das Abschneiden die Standfestigkeit oder sogar das Überleben des Baums oder Strauchs gefährdet“, erläutert Ralf Schönfeld. Der Verbandsdirektor von Haus & Grund Rheinland-Pfalz betont allerdings, dass das Recht nur dann gewährt ist, wenn einige Grundvoraussetzungen erfüllt sind.

Dem Eigentümer zunächst eine angemessene Frist setzen

Das Recht zur Selbsthilfe setzt voraus, dass

  • die herüberwachsenden Äste und Wurzeln die Benutzung des Nachbargrundstücks objektiv feststellbar beeinträchtigen. Dabei kommt es nicht auf das subjektive Empfinden an. Objektiv feststellbare Beeinträchtigungen liegen etwa vor, wenn Äste die Auffahrt zur Garage verengen oder Spielgeräte wie eine Schaukel in ihrer Funktionsträchtigkeit einschränken. Dabei bedarf es nicht unbedingt einer direkten Beeinträchtigung durch die Äste selbst – auch herabfallendes Laub oder Zapfen können bereits genügen. Das hat der BGH bereits vor etwas über zwei Jahren entschieden (Urteil vom 14. Juni 2019, Aktenzeichen V ZR 102/18).
  • der betroffene Nachbar dem Eigentümer des Baums oder Strauchs eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt hat und diese erfolglos abgelaufen ist. Was hier „angemessen“ ist, richtet sich auch nach gärtnerischen und naturschutzrechtlichen Belangen (etwa den Vorgaben örtlicher Satzungen und Verordnungen oder dem Rückschnittverbot während der Brutzeiten).
  • das Abschneiden keinen Verstoß gegen Vorgaben des Naturschutzes (wie Baumschutzsatzungen oder -verordnungen) darstellt. Auch das hatte der BGH bereits im Urteil aus dem Juni 2019 festgelegt. Gilt ein entsprechendes Verbot (und keine Möglichkeit zur Befreiung oder Ausnahme), dann ist das Selbsthilferecht ausgeschlossen.
  • der Rückschnitt maximal bis zur Grundstücksgrenze erfolgt.

Beim Frankenthaler Urteil ging es um störende Wurzeln

Gegenstand des BGH-Entscheids waren die bereits abgeschnittenen Äste einer 40 Jahre alten und 15 Meter hohen Schwarzkiefer. Das Frankenthaler Landgericht musste sich dagegen mit den störenden Wurzeln einer Fichte an einer Grundstücksgrenze in Grünstadt beschäftigen. Der Nachbar wollte die Erlaubnis zur Beseitigung, weil ihn die Wurzeln beim Mähen seines Rasens stören. Die Eigentümer des Baums führten ins Feld, dass dies zum biologischen Tod der Fichte führen würde.

Keine Prüfung auf Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit

„Die Richter beriefen sich bei ihrem mittlerweile rechtskräftigen Urteil auf den Bundesgerichtshof und dessen Festlegung, dass die Frage der Gefährdung des jeweiligen Baums nicht von Belang ist. Das begründeten beide Gerichte damit, dass das in § 910 BGB geregelte Selbsthilferecht eine einfache Hilfe bieten und darum nicht auf Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit geprüft werden soll“, erläutert Schönfeld. Also entschied das Landgericht, dass die Eigentümer die Beseitigung der Wurzeln unter den oben genannten Voraussetzungen dulden müssen – allerdings nur für die Wurzeln, die den Nachbarn auch tatsächlich beeinträchtigen.

Eine friedliche Einigung sollte zumindest versucht werden

Bevor ein solcher Streit vor Gericht landet, rät Schönfeld allen Beteiligten dazu, eine friedliche Einigung zumindest zu versuchen. „Das geht meist schneller als der Weg über Anwälte und Gerichte. Es spart zudem im Zweifel viel Geld und ist vor allem besser für das künftige Miteinander“, berichtet der Jurist aus der Praxis.

Dafür Sorge tragen, dass Äste und Wurzeln nicht hinüberwachsen

Baumeigentümer weist der Verbandsdirektor nachdrücklich auf die Argumentation des BGH hin. Danach ist eine solche Selbsthilfe überhaupt nur erforderlich, wenn der Eigentümer des Baums zuvor seiner Verantwortung nicht gerecht geworden ist. Sie besteht darin, Äste und Zweige gar nicht erst über die Grenzen des Grundstücks hinauswachsen zu lassen. Andererseits ermahnt Schönfeld auch betroffene Nachbarn zu etwas Nachsicht: Nicht jeder kleine Überhang müsse gleich in einen Rechtsstreit münden. Zumal dann immer noch die Frage bleibt, ob beispielsweise ein Ast, der in fünf Metern Höhe wenige Zentimeter übersteht, bereits die verlangte objektive Beeinträchtigung darstellt.

Bei Fragen hilft der Haus & Grund Ortsverein

Bei rechtlichen Fragen rund ums Nachbarschaftsrecht können sich Mitglieder von Haus & Grund selbstverständlich bei Ihrem Ortsverein beraten lassen.

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Merkblätter zum Thema:

Mit Streitfällen rund um Pflanzen an der Grundstücksgrenze beschäftigen sich zwei Merkblätter von Haus & Grund Rheinland-Pfalz:

Auch für andere Streitthemen zur Grundstücksgrenzen gibt es Merkblätter des Landesverbands:

Erhältlich sind diese und andere wertvolle Hilfen für private Eigentümer und Vermieter im Onlineshop von Haus & Grund Rheinland-Pfalz.

 

Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Info-Service von Haus & Grund Rheinland-Pfalz (Ausgabe November vom 24. November 2021). Melden Sie sich jetzt an für diesen kostenlosen Service des Landesverbands:

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