Verbauter Ausblick: Darf auch ein einzelner Wohnungseigentümer Schadenersatz einklagen?
Beim jüngsten BGH-Urteil zu Störungen des Sondereigentums lohnt ein Blick in die Begründung.
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Wenn der Bundesgerichtshof entscheidet, dann ist die Begründung mitunter wichtiger als das konkrete Urteil. So war es auch in einem aktuellen Fall (Urteil vom 11. Juni 2021, Az. V ZR 41/19), in dem der Kläger insgesamt 55.000 Euro Schadenersatz für einen verbauten Blick auf die Elbe forderte. Die Karlsruher Richter erklärten schon die Klage selbst für unzulässig. In der Begründung der Kammer finden sich interessante Hinweise zur Frage, wer in einer WEG bei Störungen des Sondereigentums tätig werden darf.
Dabei stellte der BGH mehrere Punkte klar:
- So lange auch sein Sondereigentum räumlich von der Störung betroffen ist, darf der Miteigentümer Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche gerichtlich geltend machen und muss das nicht der Eigentümergemeinschaft überlassen.
- Das gilt sogar dann, wenn die Störung auch Gemeinschaftseigentum betrifft.
- An diesem Grundsatz hat sich durch die WEG-Reform von Dezember 2020 nichts geändert.
- Allerdings gilt das ausdrücklich nicht für Klagen auf Schadenersatzansprüche. Das Recht dazu hat im Normalfall nur die Eigentümergemeinschaft.
- Die einzige Ausnahme bilden Schadenersatzklagen nach § 14 Abs. 3 WEG. Danach kann ein Wohnungseigentümer einen angemessenen Ausgleich in Geld dann verlangen, wenn er eine Einwirkung zu dulden hat, „die über das zumutbare Maß hinausgeht“.
Kammer sah keine gravierende Einwirkung
Ein solch gravierende Einwirkung lag nach Einschätzung der Kammer aber im aktuellen Verfahren nicht vor. Es drehte sich um eine Eigentumswohnung direkt an der Elbe in Hamburg. Die Teilungserklärung (aus dem Jahr 1973) sah neben dem direkt errichteten Mehrfamilienhaus bereits ein Einzelhaus vor, das zum Sondereigentum eines Eigentümers aus dem Mehrfamilienhaus gehören sollte.
Errichtet wurde es allerdings erst im Jahr 2012. Damit war der Kläger (er bewohnt die Wohnung seiner Tochter als Nießbraucher) jedoch nicht einverstanden. Nach seinem Verständnis war das Einzelhaus zu hoch geraten und habe ihm darum die Aussicht auf die Elbe verbaut. Daraus errechnete der Kläger eine Wertminderung von 55.000 Euro für die von ihm genutzte Wohnung – und wollte diesen Schaden von seinem Nachbarn ersetzt haben.
Kläger nahm die verbaute Ansicht hin und wollte Geld
Er scheiterte schon in den Vorinstanzen und letztlich auch beim BGH. Dieser wies die Klage als unzulässig ab. Nur die Eigentümergemeinschaft hätte in diesem Fall das Recht gehabt, auf eine Beseitigung der Störung (also das möglicherweise überdimensionierte Haus) zu verzichten und stattdessen Schadenersatz zu verlangen. Einem Einzeleigentümer hätte es im konkreten Fall nur zugestanden, mit seiner Klage eine Beseitigung (also möglicherweise einen Teilabriss) zu verlangen. Doch das war gar nicht das Ziel des Mannes: Er nahm die verbaute Aussicht hin, wünschte aber dafür im Gegenzug Schadenersatz.
Das machte die Klage unzulässig – und das wäre ausdrücklich auch dann der Fall, wenn sie tatsächlich von einem Eigentümer oder einer Eigentümerin erhoben worden wäre. Deshalb beschäftigte sich der BGH gar nicht mit der Frage, ob der Kläger als Nicht-Eigentümer und Nießbraucher überhaupt im Namen seiner Tochter tätig werden durfte. Die Frage, ob der Neubau tatsächlich überdimensioniert war (wie die Klage behauptete), wurde ebenfalls gar nicht erst behandelt.
Wertvolle Hilfen für EigentümerMehr Infos rund um die rechtlichen Besonderheiten in einer WEG bieten mehrere Merkblätter von Haus & Grund Rheinland-Pfalz:
Geballte Informationen bietet zudem das Info-Dossier „Als Wohnungseigentümer rechtlich stets auf der sicheren Seite“. Hilfe im konkreten Einzelfall:Bei Störungen in der WEG und deren Abwehr liegt der Teufel oft im Detail und es empfiehlt sich (wie bei vielen Rechtsfragen) eine genauere Betrachtung des Einzelfalls. Mitglieder von Haus & Grund können dazu die Rechtsberatung in ihrem Ortsverein in Anspruch nehmen. Sie sind noch kein Mitglied? Eine Übersicht über die Ortsvereine in Rheinland-Pfalz finden Sie hier: |
Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Info-Service von Haus & Grund Rheinland-Pfalz (Ausgabe Juli/August 2021 vom 12. August 2021). Melden Sie sich jetzt an für diesen kostenlosen Service des Landesverbands: