Aktuelle empirica-Analyse zeigt: Das Wohneigentum verliert (etwas) an Boden

Der Anteil der Eigentümer-Haushalte ist erstmals seit 1993 wieder gesunken. Dafür gibt es Gründe.

Symbolbild Wohneigentum: Junges Paar auf der Couch träumt von den eigenen vier WändenFoto: BillionPhotos.com / AdobeStock

Dass in keinem anderen EU-Land so wenige Haushalte in einer eigenen Immobilie leben wie in Deutschland, ist bekannt. Dass die Wohneigentumsquote hierzulande aber nicht einmal mehr steigt, sondern im Gegenteil sogar wieder rückläufig ist, kristallisiert sich gerade erst heraus: Im Jahr 2018 wohnten in Deutschland rund 42 Prozent aller Haushalte im Eigentum – das ist ein Prozentpunkt weniger als vor fünf Jahren.

Dies ist das zentrale Ergebnis einer Analyse der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts durch das Berliner Forschungsinstitut empirica in Zusammenarbeit mit LBS Research. Die EVS wird nur alle fünf Jahre erhoben, ermöglicht aber unter anderem aufgrund der detaillierten Erfassung von Einkommens- und Vermögenskomponenten einen besonders eingehenden Blick auf die Zusammenhänge der Vermögensbildung.

Deutliche Unterschiede zwischen Ost und West

Auch drei Jahrzehnte nach der Wende ist die Entwicklung der Wohneigentumsbildung in Deutschland nicht ohne eine Differenzierung nach Ost und West zu erklären. Während die alte Bundesrepublik in den 1980er Jahren noch große Fortschritte gemacht hatte, es im Nachwende-Westdeutschland aber schon Ende der 1990er erste spürbare Dämpfer gab, wurde der Erwerb einer eigenen Immobilie in Ostdeutschland erst nach der Wiedervereinigung zu einer echten Option.

„Eine bessere Förderung und mehr Wertschätzung nötig“

Verbandsdirektor Ralf Schönfeld

„In vielen Punkten fordert Haus & Grund schon länger, was nun auch die Wissenschaftler vorschlagen, die diese Analyse verfasst haben. Eine bessere Eigentumsförderung (etwa durch ein Baukindergeld) ist ebenso wünschenswert wie eine Senkung der Kaufnebenkosten (wie durch den vorgeschlagenen Grunderwerbsteuer-Freibetrag für Ersterwerber). Neben dem Umwandlungsverbot halten wir auch andere Beschränkungen für kontraproduktiv.

Vor allem aber mangelt es in der Öffentlichkeit und gerade in der Politik leider allzu oft an der Wertschätzung für das Immobilieneigentum. Wenn der Eindruck erweckt wird, Eigentum wäre etwas, für das man sich schämen muss, dann ist es kein Wunder, wenn das den Einen oder Anderen abschreckt.

Rheinland-Pfalz ist ein Eigentümer-Land und hat nach dem Saarland die zweithöchste Eigentümerquote. Wir sollten darauf hinarbeiten, das weiter zu stärken und auszubauen. Dazu müssen potenzielle Eigentümer ermutigt und unterstützt werden – und nicht verunsichert. Zusätzliche Belastungen sind auch alles andere als hilfreich.“

Ralf Schönfeld, Verbandsdirektor von Haus & Grund Rheinland-Pfalz

Es setzte ein kräftiger Aufholprozess ein. Dieser ist nun jedoch ins Stocken geraten – und der Abstand zum Westen noch immer groß: Mit gut 36 Prozent lag die Wohneigentumsquote in Ostdeutschland im Jahr 2018 nach wie vor um einiges unter jener von knapp 45 Prozent in Westdeutschland.

Deutschlandweit fehlt es an Nachwuchseigentümern

Die zuletzt schleppende Entwicklung ist laut LBS Research allerdings kein ostdeutsches Spezifikum. Sondern sie basiert auf gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Phänomenen, die in ganz Deutschland zu finden sind: Es fehlt vor allem an Nachwuchseigentümern.
Dass der Anteil der 70- bis 79-Jährigen in Wohneigentum – wenn auch auf unterschiedlichen Niveaus – in West wie Ost im Lauf der vergangenen 20 Jahre kräftig gestiegen ist, erklärt sich durch einen Generationseffekt.

Westdeutsche Senioren von heute hatten es leichter

Die westdeutschen Senioren von heute hatten es in jüngeren Jahren vor allem dank ihres Wohlstandsvorsprungs leichter als die Kriegsgenerationen, zu Wohneigentum zu kommen.
Und die allermeisten von ihnen wohnen eben auch jetzt noch in jenem Häuschen, das sie oftmals in den 1970er Jahren gebaut haben. Mit einer Wohneigentumsquote von 58 Prozent übertrafen die 70- bis 79-Jährigen 2018 alle anderen Altersgruppen in Westdeutschland.

Im Osten der Republik ist es nach der Wiedervereinigung zumindest einigen der heutigen Rentner noch gelungen, Wohneigentum zu erwerben. Heute leben immerhin 36 Prozent der 70- bis 79-Jährigen im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung, vor 20 Jahren waren es erst 15 Prozent. Dass die vergleichsweise kurze Zeit bis zum Ruhestand nicht reichte, um noch den Sprung auf westdeutsches Niveau zu schaffen, versteht sich.

In den jüngeren Altersgruppen ist der Ost-West-Unterschied über die Jahre zwar kräftig geschmolzen, allerdings ist vor allem die nachrückende Generation hier wie dort weit weniger erfolgreich bei der Wohneigentumsbildung als die Generation ihrer Eltern. Die eine oder andere Immobilienerbschaft könnte das Bild noch etwas korrigieren, dennoch droht sich der auch als Kohorteneffekt bezeichnete Einflussfaktor in seiner Wirkungsrichtung umzukehren.

Die nachrückende Generation schafft den Sprung nicht

Das zeigt sich an den Schwierigkeiten der 30- bis 39-Jährigen, vom Mieter zum Eigentümer zu werden. 2008 hatten 34 Prozent der Ost- und 37 Prozent der Westdeutschen in diesem Lebensalter den Sprung ins Wohneigentum schon geschafft – zehn Jahre später galt dies nur noch für 25 beziehungsweise 30 Prozent.

EVS: So kommen die Zahlen zustande

Für die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts werden alle fünf Jahre rund 60.000 private Haushalte zu ihren Lebens-, Vermögens- und Einkommensverhältnissen befragt – und das schon seit Anfang der 1960er Jahre.

Die EVS ist die größte repräsentative Erhebung auf freiwilliger Basis innerhalb der EU. Zuletzt fand sie im Jahr 2018 statt. Die ersten Daten daraus wurden 2019 veröffentlicht, wissenschaftliche Sonderanalysen sind seit 2020 verfügbar. Einer der Befragungsschwerpunkte liegt auf der Wohnsituation und den Wohnkosten.

Die Antworten auf diese Fragen wertet das Forschungsinstitut empirica seit 1995 im Auftrag der Landesbausparkassen aus. Im Fokus steht dabei die Entwicklung der regionalen Wohn- und Vermögensverhältnisse sowie der Wohnkosten.

Der Rückgang der Wohneigentumsquote in der nächsthöheren Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen fällt nicht ganz so dramatisch aus, ist aber ebenso symptomatisch. Denn wirft man einen genaueren Blick auf diese mittlere Generation, wird schnell klar, dass es auch hier Schwierigkeiten bei der Wohneigentumsbildung gibt.

So sind die klassischen Familien – Paare mit minderjährigen Kindern – zwar unverändert mit Abstand am häufigsten von allen Haushaltstypen selbst nutzende Wohneigentümer. Sie wohnen inzwischen aber nicht mehr ganz so oft in den eigenen vier Wänden. Waren es 2008 in Westdeutschland fast 73 Prozent der Familien, sind es heute nur noch knapp 69 Prozent. In Ostdeutschland sieht es ähnlich aus.

Kinderlose und Alleinerziehende wohnen öfter zur Miete

Nicht zu trennen sind die altersspezifischen Beobachtungen von veränderten und sich nach wie vor verändernden Lebensumständen. Was ist heute anders als früher? Letztlich spielen wohl viele Faktoren eine Rolle. So wohnen etwa Kinderlose und Alleinerziehende öfter zur Miete.

Ein weiterer bestimmender Faktor ist nach Einschätzung von LBS Research die Akademisierung, also der Umstand, dass immer mehr junge Leute eine höhere berufliche Qualifikation durch ein Studium anstreben. Deshalb sind sie aus ländlichen Regionen in die Städte gezogen, deshalb möchten sie oft auch dort bleiben zum Leben wie Arbeiten. Und deshalb – sprich wegen der Karriere – führen viele jüngere Menschen Fernbeziehungen und gründen erst später eine Familie (oder überhaupt nicht). Mit diesem Lebensstil verbunden ist zumeist ein langjähriges Mieterdasein.

Aus diesen Studienergebnissen leitet LBS Research zwei politische Schlussfolgerungen ab: Familien benötigen weiterhin Unterstützung, um Kindern ein möglichst behütetes Leben in der Sicherheit des eigenen Hauses oder wenigstens der eigenen Wohnung ermöglichen zu können.

Welche Vorteile beispielsweise ein Garten bietet, haben nicht zuletzt die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie gezeigt. Förderungswürdig ist die Wohneigentumsbildung aber auch, weil sie zugleich Vermögensaufbau bedeutet und vor allem über das mietfreie Wohnen eine bedeutende Komponente der privaten Altersvorsorge darstellt.

Experten halten Baukindergeld für den richtigen Ansatz

Da der Eigentumserwerb vor allem daran scheitert, dass die Ersparnisse und damit das Eigenkapital vieler frischgebackener Familien nicht mit den explodierenden Immobilienpreisen Schritt gehalten haben, war das Baukindergeld für die LBS-Experten durchaus der richtige Förderansatz und verdiene eine Neuauflage in der kommenden Legislaturperiode. Mindern ließe sich der Eigenkapitalbedarf auch durch eine Reduktion der Erwerbsnebenkosten.

Grunderwerbsteuer-Freibetrag wäre leicht umsetzbar

Am ehesten umsetzbar erscheine hier ein Freibetrag für Ersterwerber bei der Grunderwerbsteuer. Gerade für Familien sei es auch wichtig, dass sie bei der Vergabe von Bauland nicht gegenüber dem Mietwohnungsbau benachteiligt werden oder durch eine zu restriktive Handhabe der Baulandausweisung überhaupt nicht mehr an günstige Flächen kommen können.

Die vielen jungen Menschen in den Städten, die den Zeitpunkt der Familiengründung teilweise immer weiter hinausschieben, brauchen zumindest einen Zugang zu Wohneigentum, auch um auf diesem Weg schon einen Einstieg in diesen Baustein der Altersvorsorge zu finden. Was ist in den Augen der Studienautoren dazu nötig? Sparfähigkeit und Sparbereitschaft sind das Eine. Das Andere aber sind erschwingliche Wohnungen, gerade in den besonders beliebten Schwarmstädten.

Das viel diskutierte Umwandlungsverbot ist kontraproduktiv

Auch vor diesem Hintergrund ist in den Augen der Studienautoren das zuletzt viel diskutierte und stark kritisierte Umwandlungsverbot – genauer gesagt: die weitere Begrenzung der Aufteilung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen – kontraproduktiv. An ausreichendem Neubau führt allerdings auch kein Weg vorbei.

Einige interessante Ergebnisse der Analyse als Grafik:

Grafik: Wohneigentumsquote

Grafik: Wohnen im Eigentum nach Altersgruppen

Grafik: Wohnen im Eigentum als Domäne der Familien

 

Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Info-Service von Haus & Grund Rheinland-Pfalz (Ausgabe Januar / Februar 2021 vom 28. Januar 2021). Melden Sie sich jetzt an für diesen kostenlosen Service des Landesverbands:

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